Letzte Rettung Dänemark

Ich so: „Och, bitte“ und das Leben so: „Nö!“. So manche(r) von euch wird das kennen. Wenn man denkt: „So, nun reicht es aber“. Doch dann gibt es noch etwas extra oben drauf. Was folgt ist Seelenpein. Doch Dänemark hat mich, nun ja, gerettet.

Das Gesicht in die Sonne halten, den Wind spüren, den Wellen lauschen – endlich einmal tief durchatmen und Abstand gewinnen von meinem persönlichen Sumpf, in dem ich gelandet war. So dass ich mich aus diesem Sumpf wieder selbst befreien konnte. Das hatte ich mir von meiner, ich würde fast sagen Flucht erhofft.

Auf dem Geburtstag einer Freundin war ich noch guter Dinge. Ja, es geht voran, konnte ich auf interessierte Nachfragen erzählen. Die Herausforderungen und Zumutungen des Lebens der letzten Jahre hatte ich abgearbeitet, hatte alles so gut es ging in seine Bahnen gelenkt. Nun wollte ich mich ein bisschen darauf ausruhen, mich ein bisschen um mich selbst kümmern.

Zwei Tage später hat eine meiner beiden geliebten Katzen das Fressen eingestellt. Es begann ein zweiwöchiger Kampf um Nickys Leben, den wir verloren haben.

Abschied

Für uns alle drei war es eine schwierige Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Mein Bauchgefühl hat mir schon früh den Ausgang dieser Geschichte prophezeit, doch ich wollte das natürlich nicht hören. Dazu müsst ihr wissen: Tiere sind für mich immer echte Persönlichkeiten. In der Schule hatte ich noch gelernt, dass alle Tiere ausschließlich Instinkt-gesteuert sind. Für mich war das schon damals Unsinn.

Nach knapp zwei Wochen musste ich also diese letzte schlimme Entscheidung treffen und Nicky auf ihre letzte Reise schicken. Danach dann mit ihr nach Hause fahren, um der zurück gebliebenen Paris ihre tote Schwester zu zeigen.

Als wir beide dann alleine waren, konnten wir nicht so recht was miteinander anfangen. Nicky hatte mit ihrer ausgeglichenen Art immer Ruhe in den Laden gebracht. Paris und ich schauten uns nun gegenseitig mit großen Augen an und waren ziemlich neben der Spur.

Wichtiger denn je: Der Lieblingsplatz von Paris

Um es mal deutlich zu sagen: Ich war vorher schon erschöpft und nun total im Arsch. Dass ich mich fast die ganze Zeit mit Fieber und einer üblen Erkältung rumschlagen musste, hat’s nicht besser gemacht. Dann kam von einer Freundin eine SMS. Ein Ferienhaus in Dänemark habe sie für zwei Wochen gebucht, ob ich nicht mitkommen möchte? So ein paar Tage raus, vielleicht wäre das momentan das Richtige.

Zur Seelenpflege nach Juelsminde

Kurz entschlossen habe ich Ja gesagt. Mir eine Rückfahrkarte besorgt, meine Paris zu meiner Mutter gebracht und meine Tasche gepackt. Natürlich fühlte ich mich ein bisschen wie eine Verräterin, lasse meine Katze gerade jetzt einfach so alleine. Doch sie war nicht zum ersten Mal bei meiner Ma und ich wusste, es wird ihr dort gut gehen.

Sonntags ging es dann los. Es war für mich total ungewohnt, denn ich musste mich um überhaupt nichts kümmern. Nur ins Auto einsteigen, und im jütländischen Juelsminde wieder aussteigen. Dort nur anwesend sein und eigentlich auch das nicht einmal so richtig.

Kaum angekommen, wollte ich auch schon ans Wasser. Um das Gesicht in die Sonne zu halten, den Wind zu spüren, den Wellen zu lauschen – und endlich einmal tief durchzuatmen. Vor mir lagen vier Tage so ganz ohne Planung. Meine Freundin ist da zum Glück auch ganz entspannt. Und so sind wir morgens irgendwann aus dem Bett gekrochen, haben uns Tee und den ersten Kaffee gemacht, dabei lesen, ein bisschen Internet vielleicht, dann ins Bad, anschließend Brötchen holen, auf der Terrasse den Tisch decken und ausgiebig frühstücken. Das war dann so gegen 13 Uhr.

Nachmittags dann in der Sonne lesen, ein bisschen an der Ostsee spazierengehen, ein Softeis – stor med Karamel overtræk – am Hafen genießen. Vielleicht ein kleiner Sundowner und abends kochen oder auch nicht. Alles total unaufgeregt und unspektakulär. Es war genau das, was meine Seele und ich brauchten.

Die beste Therapie: Wandern

Meine Lebensgeister kamen zurück und ich wäre nicht ich, wenn ich nicht zuhause doch schon nach Wandermöglichkeiten Ausschau gehalten hätte. Und ich war fündig geworden: Der Kyststien, der Küstenweg zwischen Juelsminde und Snaptun schien genau das Richtige zu sein.

Am Mittwoch war es soweit. „Lauf du man so weit du magst. Ich sammele dich dann ein“, sagte meine Freundin. Rund 16 Kilometer sind es schließlich geworden. Bei schönstem Sonnenschein habe ich mir den Wind um die Nase wehen lassen und es war genau so, wie ich es mir gewünscht habe: außer mir keine Menschenseele zu sehen. Nur ich, das Meer, der Himmel und die Natur.

Schon als ich Juelsminde hinter mir gelassen hatte, spürte ich, wie sich eine innere Ruhe in mir ausbreitete. Wie ich langsam aufhörte, wütend auf das Leben zu sein, das mir scheinbar keine Ruhe gönnte. Das Leben ist eben so. Es fragt nicht, ob es jetzt gerade passt oder ob es die geliebte Katze lieber ein bisschen später sterben lassen soll. Es gibt eigentlich nur eines, das hier wichtig ist: Die guten Dinge nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine Reise kann einem die Augen öffnen. Für die Welt, aber auch für das eigene Drama beziehungsweise für Wege daraus hinaus.

Wie es dann mit Paris weiterging? Sie hat die Tage bei meiner Mutter gut überstanden. Wieder zuhause kam sie aus ihrer Box, wir schauten uns an und irgendwie war es so, als wären wir uns nun einig: Wir schaffen das! Und tatsächlich haben wir wieder gut zueinandergefunden. Es ist auch zu Hause ein bisschen Ruhe eingekehrt.

PS: Ja, meine beiden wurden nach den Hilton-Schwestern benannt. Das war aber der Dosenöffner, bei dem sie vor mir gelebt haben….

Nicky R.I.P.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert