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Reiserecht: Urteil zu verpasstem Anschlussflug

Durch Verspätungen bei Zubringerflügen kann es leicht passieren, dass ein Fluggast seinen Anschlussflug verpasst. Fluggäste, denen nicht genug Zeit bleibt, um ihren Anschlussflug pünktlich zu erreichen, haben Anspruch auf eine Entschädigung gegen die Fluggesellschaft. Diesen können sie direkt gegen die Fluggesellschaft geltend machen – egal, ob es sich um eine Pauschalreise handelt oder um individuell gebuchte Flüge. „Die Beweislast dafür, dass die Umsteigezeit ausgereicht hat, liegt bei der Airline“, sagt Michaela Rassat, Juristin der D.A.S. Rechtsschutz Leistungs-GmbH (D.A.S. Leistungsservice).

Der Fall vor Gericht

Eine Frau hatte einen Flug von Frankfurt über Kiew nach Astana gebucht. Das Flugzeug hob bereits in Frankfurt verspätet ab und erreichte Kiew mit fast anderthalb Stunden Verspätung. Die Passagiere konnten das Flugzeug dort ab 16:25 Uhr verlassen, die Türen der Anschlussmaschine schlossen sich um 17:27 Uhr. Da der Flughafen mit Menschenmengen und Warteschlangen verstopft war, schaffte es die Frau in der vorhandenen Zeit nicht, den Anschlussflug zu erreichen, und konnte erst am nächsten Tag nach Astana weiterfliegen. Sie forderte von der Airline eine Entschädigung für die Verspätung. Diese wies die Forderung jedoch zurück: Eine Stunde und zwei Minuten hätten zum Umsteigen ausgereicht. Die Zeitspanne entspreche der sogenannten Minimum Connecting Time (MCT) – der Mindestumsteigezeit. Es wurde vermutet, die Frau habe beim Umsteigen getrödelt.

Der Horror: Dichtgedrängte Menschen vor den Flughafenkontrollstellen werden zum unkalkulierbaren Zeitfaktor, wenn man auf die Schnelle einen (Anschluss-) Flug erwischen muss ©Regina Fischer-Cohen
Der Horror: Dichtgedrängte Menschen vor den Flughafenkontrollstellen werden zum unkalkulierbaren Zeitfaktor, wenn man auf die Schnelle einen (Anschluss-) Flug erwischen muss ©Regina Fischer-Cohen

Das Urteil des Gerichts

Das Amtsgericht Frankfurt sah dies anders. Es gestand der Frau den üblichen nach Entfernung gestaffelten Entschädigungsanspruch nach § 7 der Europäischen Fluggastrechteverordnung zu. Das Gericht räumte zwar ein, es könne durchaus die Schuld der Reisenden sein, dass sie ihren Anschlussflug verpasst hat. Wenn die Fluggesellschaft sich darauf berufe, müsse sie jedoch beweisen, dass die Umsteigezeit ausreichend gewesen sei. „Das Gericht betonte, dass allein ein Verweis auf die Mindestumsteigezeit nicht genügt, da diese von den Flughäfen festgesetzt wird. Maßgeblich sei jedoch, wie viel Zeit ein Fluggast tatsächlich zum Umsteigen habe, und diese Zeitspanne stimme oft nicht mit der Mindestumsteigezeit überein”, erklärt Michaela Rassat. Auch dass andere Fluggäste pünktlich den Anschlussflug erreicht hatten, war aus Sicht des Gerichts kein Argument. Dies sage nichts darüber aus, wie viel Zeit die Klägerin zur Verfügung gehabt habe und ob diese Zeit für das Umsteigen gereicht hätte. Das Gericht verlangte von der Fluggesellschaft einen Nachweis darüber, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, damit die Klägerin ihren Anschlussflug rechtzeitig erreicht. Diesen konnte die Airline nicht liefern.

Die Frau bekam eine Entschädigung von 600 Euro.

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18. Oktober 2018, Az. 30 C 3465/17

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