Urlaub im Dschungelbuch – Auf den Spuren von Balu und Shir Khan

Besuch bei Shir Khan - Urlaub im DschungelbuchEin Glücksmoment, den man nie mehr vergisst... Königstiger in freier Wildbahn ©Regina Fischer-Cohen

10 Uhr früh am Flughafen von Jabalpur. Seele und Geist jubilieren. Den Körper befragen wir an dieser Stelle lieber nicht. Der verweigert nämlich jede weitere Zusammenarbeit, will einfach nur noch liegen. Von Hamburg über Helsinki und Delhi bis in den indischen Bundesstaat Madhya Pradesh ist es schließlich kein Katzensprung. Dabei ist die Flugverbindung mit Finnair schon genial, denn beim ersten Zwischenstopp habe ich die Wartezeit ganz entspannt in einer Sauna verbracht. Direkt im Airport. Den Finnen sei Dank! Aber jetzt stehen bis zum Bandhavgarh Nationalpark noch mal rund 180 Kilometer Autofahrt an. Kein Zuckerschlecken in einer Region, in der der Ausbau des Straßennetzes immer noch nicht weit vorangeschritten ist. Hilft aber nix. Seit ich in meiner Kindheit das »Dschungelbuch« gelesen habe, träume ich davon, die Nachfahren von Balu und Shir Khan in ihrer Heimat zu besuchen. Schlappmachen gilt also nicht.

Straßenbauarbeiten in Madhya Pradesh – harte Knochenarbeit für Männer und Frauen ©Regina Fischer-Cohen

Mit Shiva am Steuer durch Indiens Großstadtverkehr

Zum Glück wirken indische Städte mit all ihren Farben, Düften und Geräuschen so verlässlich aufs Gemüt wie eine Aufputschdroge. Kaum liegt das Flughafengebäude zurück, sind meine Sinne dermaßen berauscht, dass ein Höhenflug einsetzt, der die müden Glieder einfach mitreißt.

the spices of India ©Regina Fischer-Cohen

Die Gewürze Indiens betören mit ihrem Duft und ihren satten Farben ©Regina Fischer-Cohen

Für den extra-Schuss Adrenalin sorgt schließlich noch Shankar, mein Fahrer. »I am very good driver, Ma’am«, versichert er mir lächelnd über den Rückspiegel und demonstriert tiefsten inneren Frieden, während er das Gaspedal voll durchtritt und alles überholt, was auf der Straße vor uns liegt.

Unterwegs in Madhya Pradesh ©Regina Fischer-Cohen

Bunte Rikschas gehören in Indien überall zum Straßenbild ©Regina Fischer-Cohen

Haarscharf und ungebremst schrammt unser Wagen dabei nicht nur an anderen Fahrzeugen vorbei, sondern auch an spielenden Kindern, Fußgängern, Hunden und heiligen Kühen. Und ich, die sich eigentlich nie Namen merken kann, erinnere ausgerechnet in diesem Moment eine Geschichte, in der erzählt wird, dass Shankar für die indische Gottheit Shiva steht.

Heilige Kühe und andere Hindernisse auf Indiesn Straßen ©Regina Fischer-Cohen

Auf Indiens Stadtstraßen braucht man starke Nerven ©Regina Fischer-Cohen

Wer sich mit der hinduistischen Religion etwas auskennt, weiß, dass es auch da ein Bündnis der Dreifaltigkeit gibt.  Brahma gilt dabei als Erschaffer, Vishnu als Erhalter und Shiva als Zerstörer. Sollte das jetzt etwa ein Omen für mich sein? Und wenn ja, wie tröstlich ist dann das Wissen, dass Shiva kein Böser ist? Er vernichtet das Alte ja nur, um Raum für Neues zu schaffen. Ich beschließe, das Ganze positiv zu betrachten und hole erst mal meine Kamera raus. Falls meine letzte Stunde tatsächlich geschlagen haben sollte, will ich mich lieber auf die Schönheit dieses Landstrichs konzentrieren und ein paar Bilder für die Nachwelt einfangen. Sozusagen im Vorbeifliegen. Also: Wagenfenster runter und die ISO-Werte an der Kamera hochgeschraubt, damit die Verschlusszeit zum hiesigen Fahrstil passt. Und los geht’s.

Abenteuer in der Mitte des riesigen Indischen Subkontinents

Beauty in Madhya Pradesh

Schönheit am Wegrand ©Regina Fischer-Cohen

Mit Madhya Pradesh habe ich die Mitte des riesigen indischen Subkontinents erreicht. Hier schlägt das uralte Herz des Landes, und nachdem Jabalpur nun langsam hinter uns liegt, pocht es beruhigend sanft und leise. Beim Blick in die Weite der Landschaft kommt es mir vor, als würde die Zeit plötzlich in einem wesentlich langsameren Rhythmus vergehen. Mag sein, dass es auch mit daran liegt, dass Shankar sich jetzt nur noch selten genötigt sieht, an Hindernissen vorbei zu preschen. Es herrscht kaum noch Verkehr.

Holy cows on their way in Madhya Pradesh ©Regina Fischer-Cohen

Rinderstau: Indiens heilige Kühe haben das Straßenrecht grundsätzlich auf ihrer Seite ©Regina Fischer-Cohen

Kilometerlang führt unser Weg nun an endlos erscheinenden Feldern und Wiesen vorbei, an deren Rändern sich vereinzelt ein paar strohgedeckte Lehmhütten ducken. Büffel und Ziegen beleben immer wieder das archaische Bild, und manchmal auch Bauern, die den Boden wie zu Urzeiten mit einem Ochsengespann pflügen. Wie prachtvolle Blüten leuchten an anderen Stellen Frauen und Mädchen mit ihren farbenfrohen Saris aus der Landschaft hervor.

Wasserversorgung ist bei Indiens Landbevölkerung Frauensache

Frauen beim Wasserholen an einer öffentlichen Trinkwasserpumpe ©Regina Fischer-Cohen

Im Reich des Königstigers – Der Bandhavgarh Nationalpark

Und immer wieder wehen bunte Gebetsfahnen vor blumengeschmückten Heiligtümern im Wind. Bis sich ebenso plötzlich wie unerwartet ein geheimnisvoller Regenwald auftut, in dem sich schon bald glitzernde Flussläufe und gewaltige Felsplateaus mit Höhlen und Kaskaden zeigen. Nach rund vier Stunden Fahrt bin ich endlich am Ziel, und es ist unfassbar schön. In der Tiefe des Waldes findet man tatsächlich noch immer  jene Szenerie, die Rudyard Kipling vor rund 120 Jahren in seinem fantasievollen Dschungelbuch beschrieben hat. Man erwartet förmlich, dass Mogli hier jeden Moment mit seinen tierischen Freunden aus dem Dickicht auftaucht.

Auf den Spuren des Tigers im Bandhavgarh Nationalpark

Malerische Szenerie im Bandhavgarh Nationalpark ©Regina Fischer-Cohen

Erschöpft, aber zugleich selig eingelullt von den Bildern der Fahrt, checke ich am frühen Abend in der Mahua Kothi Lodge ein, die unmittelbar am Bandhavgarh Nationalpark liegt. Und obwohl kaum noch Kraft da ist, bricht dort in mir ein wahrer Jubelsturm los, als man mich zu den Gästehütten führt, die allesamt von dichtem Grün umschlungen sind. BINGO! Da habe ich echt das große Los gezogen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht gerade nach dem versprochenen Komfort aussieht. Egal!

Luxury in the jungle of Bandhavgarh National Park India

Dschungelromantik im Vorgarten meiner Suite ©Regina Fischer-Cohen

Wie im Märchen – Luxus am Rande des Urwaldes

Aber dann kommt´s: Der Page öffnet die schwere grobgezimmerte Eingangstür und… wow! – wie im Märchen eröffnet sich dahinter eine wunderschöne Suite. Das ist Dschungelromantik vom Allerfeinsten. Da ist die Verlockung natürlich groß, sich jetzt einfach nur noch ins gut gepolsterte King Size Bett fallen zu lassen oder auf der Liege im Vorgarten zu ruhen. Wäre allerdings dumm von mir, denn der Chefkoch wartet bereits mit einer köstlich duftenden Diner-Kreation. Und damit schickt er mich noch einmal ganz schnell auf einen kulinarischen Höhenflug, bevor ich glücklich ins Reich der Träume sinke.

Mahua Kothi Lodge

Mit dem Bandhavgarh Nationalpark im Rücken – Romantik pur in der Mahua Kothi Lodge ©Taj & beyond

Um vier Uhr in der Früh holt ein zaghaftes Klopfen an meiner Tür mich dann allerdings auch schon wieder in die Realität zurück. Schlaftrunken öffne ich und schiele in die Dunkelheit nach draußen. Träume ich? Keineswegs, da steht tatsächlich ein guter Geist auf der Matte, der sich nun höflich verbeugt und mir ein Tablett mit Tee und Gebäck überreicht. Och nee, also wirklich – ist ja lieb gemeint, aber zu dieser Stunde weckt so etwas doch eher Mordgelüste in mir. Der Geist lächelt unbeirrt: »Ready for Safari, Madam?« Safari?! Na klar doch! Das ist das Codewort. Schlagartig fällt alle Müdigkeit von mir ab, und wenige Minuten später sitze ich auch schon neben  Guide Nanda im Jeep. Los geht´s! Hinein in das mystische Reich von Shir Khan, dem so selten gewordenen indischen Königstiger.

Shir Khan ruft – auf zur Tigersafari

Der Elefant führt sicher zum Tiger – aus Tierschutzgründen jedoch ein fragwürdiges Vergnügen ©Regina Fischer-Cohen

Was für ein Abenteuer. Wir haben uns kaum von der Haupttrasse entfernt, da kündet das aufgeregte Gekreische von Rhesusaffen und Schwarzgesicht-Languren plötzlich davon, dass seine Majestät ganz in der Nähe durchs Dickicht schleicht. Aufgeschreckt, prescht im nächsten Moment eine Herde Antilopen vor uns aus dem Dickicht hervor. Äste knacken, man hört sie brechen. Dann ein gellender Schrei und danach gespenstische Stille. Hat der Tiger jetzt zugeschlagen? War es das?

So sieht Affenliebe aus: Schwarzgesicht-Langurenfamilie bei der Fellpflege ©Regina Fischer-Cohen

Schade, aber die prachtvolle Raubkatze zeigt sich nicht so leicht. Selbst im weiter südlich gelegenen Kanha Nationalpark, der als bedeutendstes Tigerreservat Indiens gilt und mit 940 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß ist wie der Bandhavgarh, braucht man für die Begegnung ein Quäntchen Glück und vor allem Zeit. Zu tief hat sich der Mensch als Feind und Mörder ins Gedächtnis dieser Spezies eingebrannt.

Keine Garantie auf die Sichtung von Königstigern

Gruß vom Tiger am Ausgang der Nationalparks: Vielleicht hast du mich nicht gesehen, aber bitte sei nicht enttäuscht. ICH HABE DICH GESEHEN ©Regina Fischer-Cohen

Von den Nationalparks hin zu Palästen, Tempeln und Kenotaphen 

Drei Tage später, als ich die Hoffnung fast schon aufgegeben habe, kommt für mich dann aber doch noch der große Moment. Aus dem Nichts heraus taucht Shir Khan auf einer Lichtung auf, und ich kann mit dem Teleobjektiv ganz tief in seine bernsteinfarbenen Augen blicken. Es ist ein Augenblick, den ich nie vergessen werde und der als solcher sicher nicht zu toppen ist. Doch diese Reise geht weiter, führt mich immer wieder von den Nationalparks weg, hin zu Palästen, Tempeln und Kenotaphen – entführt mich in eine Welt voller Märchen und Mythen und lässt mich mit offenen Augen träumen…

Ihr dürft also gespannt sein. Ich werde schon bald weiter von meinen Abenteuern in Madhya Pradesh berichten. Würde mich freuen, wenn ihr dann wieder dabei seid.

Mein Dank geht an Finnair, Taj Safaris & Madhya Pradesh Tourism Office, die mich bei dieser Reise unterstützt haben.

Nähere Infos zu Madhya Pradesh erhaltet ihr über:

India Tourism Frankfurt, Telefon:  060 –  24 29 49 0

Madhya Pradesh Tourism Office

Taj, Mahua Kothi Lodge im Bandhavgarh Nationalpark

Diese Reportage wurde in ähnlicher Form in der Zeitung dieWelt und im Traveller Magazin Reise und Preise veröffentlicht.
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