Winnipeg – das Tor zur Prärie

Louis Riel Winnipeg
Louis Riel, Führer der Métis und Mitbegründer der Provinz Manitoba

Die Sonne scheint und es weht ein laues Lüftchen – T-Shirt-Wetter in Winnipeg. Im Sommer ist das nichts Ungewöhnliches. Wer Kanada mit meist etwas frischeren Temperaturen verbindet, wird sich hier ganz schön umsehen. Wie ich, auf meiner Reise durch Kanadas Mitte und die Weiten der Prärie.

„Nobody goes to Winnipeg“ habe ich an der Immigration in Calgary zu hören bekommen. Das ist nun wirklich ungerecht gegenüber der Hauptstadt Manitobas. Winnipeg, die Stadt an den zwei Flüssen. Ihr Name kommt von win nipee aus der Sprache der Cree. Und das bedeutet „schlammiges Wasser“. Wer bitte nennt denn freiwillig seine Stadt so, frage ich mich allerdings. Einladend klingt das ja wirklich nicht gerade. In The Forks am Zusammenfluss von Assiniboine und Red River sieht es dann tatsächlich ein bisschen nach „Muddy Water“ aus. Doch ich finde es trotzdem ziemlich idyllisch, wie die Wassertaxis auf den ruhigen Flüssen entlang des grünen Ufers gemütlich von Anlegestelle zu Anlegestelle schippern.

The Forks Winnipeg

Abfahrt Waterbus: der historische Hafen in The Forks

Es ist recht früh und im The Forks Market ist noch nicht viel los. Macht nichts, bleibt mehr für mich, denke ich bei dem verführerischen Angebot und streune zwischen den Delikatessenständen herum. Immer der Nase nach, die mich schließlich zur Tall Grass Prairie Bread Company und ihren leckeren Cinnamon Buns führt. Eins für gleich und eins zum Mitnehmen bitte.

The Forks Market Winnipeg

Für Leckermäuler: The Forks Market

The Forks Market Winnipeg

Noch ist’s ruhig: The Fork Market am Morgen

The Forks hat eine lange Geschichte. Heute ist es eine Art Freizeitpark mit viel Grün, Museen, dem Markt und dem Johnston Terminal mit seinen Shops und Restaurants. Vorher war hier ein Rangierbahnhof. Doch 6000 Jahre lang war es ein Versammlungsort der First Nations. Bis die Europäer inklusive der Hudson’s Bay Company gekommen sind. Danach wurde aus dem Versammlungsort erst ein Handelsposten und schließlich Winnipeg.

Ein Museum für Menschenrechte

In toller Lage: das Canadian Human Rights Museum mit dem 100 Meter hohen Tower of Hope. Die Esplanade Riel Pedestrian Bridge führt hinüber in den Stadtteil St. Boniface
©Zyron Paul Felix

Es ist daher irgendwie konsequent, dass genau hier das Canadian Museum for Human Rights entstanden ist und ein besonderer Fokus auf den Rechten und Sichtweisen der Ureinwohner, wie der First Nations oder Inuit, liegt. Denn der Umgang mit ihnen unterschied sich in Kanada nicht von dem in anderen Regionen der Welt. Noch bis 1996 gab es beschönigend Residential Schools genannte Umerziehungsanstalten für die Kinder der Ureinwohner.

Gedenkstein in St. Boniface: der letzte Wunsch von Chief One Arrow wurde nicht erfüllt

Die Folgen, einschließlich einer überdurchschnittlich hohen Selbstmordrate, sind immer noch spürbar. Und es gibt bis heute regelmäßig Verfahren vor dem Kanadischen Gericht für Menschenrechte, um die Rechte der Ureinwohner durchzusetzen.

Ein schweres Thema, ich weiß, aber auch das gehört zum Reisen dazu. Es ist, wie so oft, nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen. Das in jeder Hinsicht beeindruckende Canadian Museum for Human Rights mit seinen vielen verschiedenen Ausstellungen hat gerade in unserer heutigen Zeit seine besondere Berechtigung: damit wir nicht vergessen, wie wichtig die Menschenrechte sind.

Für Fans von Dan Brown

Nun zum Ausgleich leichtere Kost. Nämlich die Geschichte von einer etwas skurrilen Veranstaltung. Dan Brown-Fans würden daran ihre helle Freude haben: die Hermetic Code Tour im Legislative Building von Manitoba. Geführt von dem Architekturhistoriker Dr. Frank Albo. Der hat das Parlamentsgebäude im übertragenen Sinne auseinandergenommen und allerlei Zeichen und Hinweise entdeckt. Ich sage nur: Freimaurer.

Parlamentsgebäude Winnipeg

Das Parlament von Manitoba – ein Bauwerk voller Geheimnisse

Das Parlamentsgebäude steht pittoresk-repräsentativ in einem eigenen Park. Hohe Kuppel, große Treppe, Säuleneingang – es ist alles da. Die Tour ist ausverkauft, die Fans drängeln sich um Dr. Albo und lassen sich ihre Ausgabe seines Buches „The Hermetic Code“ signieren. Dann geht es los und mir schwirrt schon bald der Kopf. Da ist der blitzblanke goldene Junge – The Golden Boy – auf dem Dach: Hermes, ein Symbol der Freimaurer und Namensgeber der Tour. Rätselhafte Sphinxen mit ägyptischen Inschriften. Und immer wieder die Zahl 13.

Parlament Winnipeg

Dr. Albo hat den geheimnisvollen Hermetic Code entschlüsselt

Parlament Winnipeg

Der Goldjunge auf dem Dach – Hermes, eine Symbolfigur der Freimaurer

Parlament Winnipeg

Und immer wieder Hermes – die Kuppel des Parlamentsgebäudes

Architektonisches Wissen aus 6000 Jahren sei hier vereint, betont Dr. Albo. Und schwenkt sein Buch, das er immer wieder aufklappt, um uns Nahansichten zu zeigen. Seine Begeisterung wirkt schon irgendwie ansteckend und so folgt ihm die Gruppe mit vielen Ahs und Ohs. Die Manitoba Historical Society schreibt auf ihrer Website zum Goldjungen auf dem Dach übrigens: „The Golden Boy atop the dome is symbolic of Manitoba’s eternal youth and progress“. Pah, LANGWEILIG!

Parlamentsgebäude Winnipeg

Der Park vorm Parlamentsgebäude – repräsentativ

Historisches Winnipeg

Der Exchange District nördlich von Downtown ist so etwas wie die Altstadt von Winnipeg. Immerhin ist das hier die größte Ansammlung gut erhaltener historischer Gebäude Nordamerikas. Wobei historisch aus europäischer Sicht natürlich relativ ist, wenn man bedenkt, dass Winnipeg erst 1873 Namen und Stadtrechte erhielt. Shopping und Dining, dafür steht der Exchange District heute. Es gibt hübsche kleine Läden, Bookstores mit angeschlossenem Café und gute Restaurants. Auf dem Old Market Square spielt eine Band.

Exchange District Winnipeg

Shopping im Exchange District

Exchange District Winnipeg

(K)Eine kulinarische Offenbarung

Als sich der Hunger meldet, führt das zu einem einschneidenden Erlebnis. Vor einem Imbiss hat sich eine kleine Schlange gebildet und auf den Bänken davor sitzen einige Leute mit ihrem Essen und wirken sehr zufrieden. Also an der Schlange angestellt. Poutine steht draußen dran und ich habe keine Ahnung, was das ist. Bin dann auch zu cool zum Fragen. Also eine Portion ohne Extras bestellt… Was soll ich sagen: ich finde es grauenhaft. Pommes Frites mit Bratensoße und Käsestückchen. Nächstes Mal bin ich dann lieber wieder ein bisschen weniger cool – denn eigentlich weiß ich es ja besser…

Poutine

So etwas wie ein Nationalgericht: Poutine

Meine Tipps für Winnipeg

Ansehen und Erleben

The Forks: Hier könnte man den ganzen Tag verbummeln. Perfekter Ort für ein Picknick, leckere Verpflegung gibt es in den Delis vom The Forks Market, anschließend ein Spaziergang auf dem Riverwalk oder eine Bootsfahrt – www.theforks.com

Historic Rail Bridge in The Forks

Canadian Museum for Human Rights: Eine hochaktuelle interaktive Reise durch die Geschichte der Menschenrechte in zwölf Ausstellungen von „What are Human Rights“ über „Indigenous Perspectives“  und „Examining the Holocaust“ bis „Rights Today“. Von Ende Mai bis Anfang September täglich geöffnet, sonst montags geschlossen –  humanrights.ca

Exchange District: Bummeln, Shoppen, Genießen. Es werden auch Führungen angeboten, außerdem lohnt sich ein Blick auf den Festivalkalender – www.exchangedistrict.org

Legislative Building: Auch wenn es nicht die „Hermetic Code Tour“ sein soll – das Parlamentsgebäude ist von außen und von innen sehenswert

Hermes und die Sphinxen wachen über Manitoba

Manitoba Museum: Mit der Außenansicht kann das Museum nicht punkten, aber es hat es in sich. Die Geschichte und die Natur Manitobas werden hier von vielen Seiten auf lebendige Weise beleuchtet. Dabei geht es weit zurück: vor 500 Millionen Jahren war die heutige Landfläche ein tropisches Meer, in das im Museum sogar abgetaucht werden kann. Weiteres Highlight: der originalgetreue Nachbau des Zweimasters Nonsuch, der 1668 erstmals in die Hudson Bay segelte. Was schließlich zur Gründung der mächtigen Hudson’s Bay Company führte. Von Ende Mai bis Anfang September täglich geöffnet, sonst montags geschlossen – manitobamuseum.ca

Assiniboine Park und Zoo: Kunst und Kultur, bunte Gärten, verschlungene Spazier- und Radwege – der Park westlich der Innenstadt ist ein lauschiger und entspannender Ort. Daran angegliedert ist ein Zoo, der mit „Journey to Churchill“ einen besonderen Schwerpunkt auf die Arktis legt. Dazu gehört auch das Leatherdale International Polar Bear Conservation Centre. Hier wird nicht nur geforscht, es werden auch Eisbärwaisen aufgenommen und großgezogen – www.assiniboineparkzoo.ca

Assiniboine Park

St. Boniface: ein bisschen Frankreich in Winnipeg. Gegenüber von The Forks, am anderen Ufer des Red River, gibt es eine der größten französisch-sprachigen Gemeinden in Kanadas Westen. Man kann auf der Esplanade Riel Pedestrian Bridge zu Fuß hinüberlaufen. In St. Boniface wurde Louis Riel, der legendäre Führer der Métis geboren, Nachfahren französischer (Pelz-)Händler und Frauen indianischer Abstammung. Er kämpfte für die Rechte der Métis, war an der Gründung der Provinz Manitoba beteiligt und wurde nach einer Rebellion hingerichtet. Sein Grab liegt neben der Ruine der Kathedrale Saint Boniface.

Kathedrale Saint Boniface

Corydon Avenue: mediterraner Lifestyle in Kanada. Westlich der Innenstadt reiht sich hier ein Lokal an das andere und – man sitzt draußen! Jedes Restaurant, das auf sich hält, hat einen Patio. Einst wurde dieser Bereich Winnipegs „Little Italy“ genannt. Doch heute ist es eine bunte Mischung aus der ganzen Welt.

Festivals

Sommer ist in Winnipeg Open-Air- und Festival-Zeit. Es ist eigentlich immer irgendwo etwas los, z.B. in The Forks oder im Exchange District. Hier zwei besondere Tipps:

Winnipeg Folk Festival: schon seit 43 Jahren treffen sich hier Newcomer und die besten Folkmusiker Nordamerikas und der Welt. Das Festival mit seinen neun Bühnen findet im Juli außerhalb von Winnipeg im Birds Hill Provincial Park statt. Es gibt einen regelmäßigen Shuttlebus aus der Innenstadt – winnipegfolkfestival.ca

Folklorama: das multikulturelle Festival vereint, was Kultur ausmacht: Musik, Kunst, Küche. In den über 40 Pavillions geht es sehr lebendig und international zu. Jährlich in den ersten beiden Augustwochen – www.folklorama.ca/festival

Allgemeine Infos

Tourismusbüro Winnipeg: www.tourismwinnipeg.com

Downtown Spirit: das hat nichts mit Esoterik zu tun. Es sind die kostenlosen Buslinien, die in Downtown die wichtigsten Sehenswürdigkeiten miteinander verbinden. Eine tolle Sache.

Und nun noch ein wenig Länderkunde:

Rund 700.000 Menschen leben heute in Winnipeg, das sind 60 Prozent der Einwohner Manitobas. Das bedeutet viel Platz im Rest der Provinz: die restlichen knapp 600.000 Menschen verteilen sich auf eine Fläche von ca. 647.333 Quadratkilometer. Zum Vergleich – und dann ist es auch genug mit den Zahlen: Deutschland hat eine Fläche von 357.028 Quadratkilometern, auf denen sich über 80 Millionen Menschen rumdrängeln.

Mich faszinieren diese Dimensionen jedes Mal wieder. Und sie führen mich auch immer wieder gerne in die Irre. Wenn ich nämlich meine Reiseplanung mache und mit dem „deutschen“ Blick auf die kanadische Landkarte schaue. Und denke, ach, das ist ja gar nicht so weit, das schaffe ich locker an einem Tag…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert