Das Reiselautsprecher Kreuzfahrt-Rätsel

NCL Norwegian Jade KreuzfahrtElke und Regina schnuppern Kreuzfahrt-Luft ©die-reiselautsprecher.de

Wie bitte? Ich glaubte, mich verhört zu haben. „Du machst was?“ Mit einem langjährigen Freund saß ich bei Milchkaffee und Kuchen, als dieser mir eröffnete, er würde demnächst auf Kreuzfahrt gehen. War nicht letztens noch Backpacking in Kolumbien angesagt?

„Weißt du, Elke“, sagte er auf meinen Einwand hin, „inzwischen habe ich es auch mal gerne ein bisschen bequem und luxuriös.“ Da hat doch tatsächlich einer die Seiten gewechselt, dachte ich und guckte streng. Na, wir werden ja sehen. Meine nächste Handlung war, ihm ein Buch zu kaufen: A supposedly fun thing I’ll never do again von David Foster Wallace. Als Journalist wurde dieser auf Kreuzfahrt geschickt, um darüber zu berichten. Das Ergebnis war einfach wunderbar – witzig, bissig, ironisch und sehr genau beobachtet.

Was soll ich sagen, die Geschichte gefiel sehr, doch all meine Bekehrungsversuche waren vergeblich. Kreuzfahrten hatten einen neuen Fan. Und nicht nur den einen: Der Kreuzfahrt-Tourismus boomt. Ich bin gerne auf dem Meer, würde gerne einmal eine Hurtigruten-Tour im Winter machen oder die Inside-Passage vor Kanada befahren. Aber die Idee mit tausenden anderen Passagieren auf einem Schiff von der Größe einer Hochhaussiedlung über die Ozeane zu schippern, ist mir fremd.

Doch ein bisschen neugierig bin ich schon geworden und so traf es sich gut, als Regina mich fragte: „Wollen wir Pfingsten auf ein Kreuzfahrtschiff?“ Die Norwegian Cruise Line hatte eingeladen, eines ihrer modernisierten Schiffe zu besichtigen, das dann im Hamburger Hafen liegen würde. Die Gelegenheit!

Cruse Ship in Hamburg

Die Norwegian Jade im Hamburger Hafen ©die-reiselautsprecher.de

Bist du jetzt Kreuzfahrer oder nicht?

Kreuzfahrt-Feeling, sozusagen in homöopathischer Dosierung –  kann ja nicht schaden, dachten Elke und ich. Wer weiß? Vielleicht würde die Begeisterung der anderen am Ende sogar ein wenig auf uns überschwappen. Das Problem ist nämlich: Wir sind beide nur bedingt gruppentauglich. Wir schaffen es einfach nicht, uns unauffällig in eine Menschenmenge zu integrieren und dieses ganz große Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, das für solche Reisen notwendig ist.

Für mich persönlich fängt das Dilemma schon bei der Riesenschlange vor einer Supermarktkasse an. Ich bin nicht der Typ, der gern in Reih und Glied wartet. Und ich trotte auch nicht gern hinter jemandem her. Wenn ich reise, möchte ich mich treiben lassen und zumindest ein bisschen Abenteuerfieber spüren. Insofern kommen die großen Gruppenreisen für mich eigentlich nicht in Frage. Andererseits muss ich gestehen, dass  ich durchaus bestechlich bin.

Auch ich liebe das Meer, und als mich die chilenische Reederei Cruceros Australis zu einer Expeditions-Kreuzfahrt rund um Feuerland eingeladen hat, habe ich meine Überzeugungen sofort bedenkenlos über Bord geworfen. So eine sensationelle Tour lässt man sich doch nicht entgehen. Man glaubt ja gar nicht, wie perfekt und harmonisch ich mich an alles und jeden anpassen kann. Zumindest für 14 Tage ;-)). Dabei musste ich mich auf dieser Reise überhaupt nicht verbiegen, denn ich befand mich unter Gleichgesinnten. Jeder, der 120 Gäste auf dem Expeditionsschiff, war wie ich dem Lockruf des Abenteuers gefolgt. Das sieht auf einem riesigen Kreuzfahrtschiff natürlich doch etwas anders aus.

Auf Feuerland mit Cruceros Australis ©Regina Fischer-Cohen

Expeditionskreuzfahrt mit der Stella Australis rund um Feuerland © Regina Fischer-Cohen

Frisch aufgemotzt, war die Norwegian Jade am Pfingstmorgen mit ihren Gästen aus Southampton im Hamburger Hafen eingelaufen. Imposant ankerte der weiße Ozeanriese vorm Docklands-Terminal, als Elke und ich dort gegen 9 Uhr eintrafen. Im Inneren der Abfertigungshalle herrschte bereits munteres Treiben. Auf der einen Seite strömten die Tagesausflügler vom Schiff, auf der anderen standen die Neuankömmlinge, die hier  zusteigen wollten. Vom jungen Pärchen bis zu Rentnerclubs war alles dabei. Wobei die 50+-Generation deutlich überwog. Und für alle hieß es nun erst mal, in einer langen Schlange aufs Einckecken zu warten.

Zu unserer Erleichterung gab es aber einen Sonderschalter  für Tagesbesucher. Der Herr dahinter lächelte freundlich: „Einmal den Reisepass bitte… Okay, danke, meine Damen! Genießen Sie ihren Aufenthalt an Bord!“ Noch ein kurzer Stopp bei der Sicherheitskontrolle, dann durften wir über die Gangway aufs Schiff gehen. Doch kaum an Bord, wurden wir von einem unwirschen Security-Menschen wieder runter geschickt. Angeblich waren wir zu früh dran. Wie gesagt – wir beide schaffen es einfach nicht, uns unauffällig in der Masse zu bewegen. Beim zweiten Anlauf hat´s dann aber im Verbund mit der Gruppe doch noch geklappt.

Norwegian Jade Bar

Meet you at the bar! Viele der öffentlichen Bereiche wurden auf der Norwegian Jade komplett neu gestaltet ©die-reiselautsprecher.de

Faszination Kreuzfahrt – was ist dran?

Im Pulk folgten wir der Gästebetreuerin, die zielstrebig durch die Gänge lief. Schon nach einer Minute hatte ich die Orientierung verloren. Trotzdem musste ich ständig dem Impuls widerstehen, in den endlosen Gängen einfach bei der nächstbesten Möglichkeit abzubiegen.

NCL Norwegian Jade Gang

Endlose Gänge – hier kann man schon mal verloren gehen, oder? ©die-reiselautsprecher.de

Hier ein Restaurant, da eine Bar. Und schließlich etwas, das mich ziemlich ratlos machte: ein großes Spielcasino mit – gefühlt – hunderten Spielautomaten. Wer zahlt viel Geld für eine Kreuzfahrt und verbringt dann seine Zeit hier unten im Spielcasino? Das wäre so ungefähr das Letzte, was mir einfallen würde.

NCL Norwegian Jade Casino

Las Vegas lässt grüßen (oder eher Atlantic City?) ©die-reiselautsprecher.de

Aber die Vorlieben sind verschieden, und das ist ja eigentlich auch gut so. Trotzdem: Worüber Regina und ich bis heute einfach nicht hinwegkommen, sind die Innenkabinen. Sie erschienen uns ein bisschen wie komfortable Isolationszellen. Ist es morgens oder abends? Scheint die Sonne oder regnet es? Platz ist eigentlich nur für das Bett und einen Fernseher. Und dabei sind die meisten Kabinen auf einem Schiff Innenkabinen. Das heißt: Die meisten Passagiere wissen nach dem Aufwachen nicht, wie das Wetter ist.

NCL Norwegian Jade Innenkabine

Na gut, es ist schon ein bisschen gemütlich – aber 10 Tage so ganz ohne Fenster? ©die-reiselautsprecher.de

Nach unserem Schiffs-Besuch musste ich dazu unbedingt meinen guten Freund befragen. Seine Antwort hat mich, nun, sagen wir, überrascht: „Ich buche immer eine Innenkabine. Das ist voll ausreichend, weil ich ohnehin nie lange Zeit dort verbringe.“ Aha, und was macht man dann so den ganzen Tag auf dem Schiff? „Sport, essen, Shows gucken, an Aktivitäten teilnehmen (Tischkicker-Turniere, Arschbombenwettbewerb, Lesungen, Kochkurse), aufs Wasser starren, sonnen, lesen, Wellness.“  Äh, Arschbombenwettbewerb? Ich denke kurz nach –  doch, in meinem guten Freund schlägt zum Glück immer noch auch das Herz eines Zwölfjährigen…

Aber er sagte noch etwas: Das Reisen auf See beruhige ungemein – man merke, wie man runterfährt und nirgends schlafe er besser als in einer Schiffskabine. Das kann ich mir alles sehr gut vorstellen (wenn auch vielleicht nicht in einer Innenkabine). Doch ich muss auch an den großen Poolbereich auf der Norwegian Jade denken, wo Liege an Liege stand und ein DJ für lautstarke Beschallung sorgte. Wie, bitte, sollte ich da runterfahren? Nun gut, vielleicht ist der DJ dort ja nicht immer in Aktion.

Norwegian Jade - pool area

Einer der Poolbereiche auf der Norwegian Jade ©die-reiselautsprecher.de

Kreuzfahrtschiffe – Das große Für und Wider

„Es gibt viele Möglichkeiten, sich auf so einem riesigen Schiff Freiräume zu schaffen. Am Morgen genießen wir, zum Beispiel, erst mal einen Kaffee auf unserem Kabinenbalkon, bevor wir zum Frühstück gehen“, hatten Gaby und Ralf Rebe beim Lunch auf der Norwegian Jade geschwärmt. Als begeisterte Kreuzfahrt-Fans sind die beiden ähnlich wie meine Nachbarn drauf: Kaum vom Schiff runter, haben sie schon den nächsten Törn gebucht. Auf seinem Blog www.kreuzfahrt4punkt0.de berichtet Ralf regelmäßig darüber.

Es muss also gewiss etwas Faszinierendes dran sein, an dieser Reiseform. Von Elke und mir werdet ihr dazu aber wohl auch in Zukunft nur wenig zu lesen bekommen. Denn wir sind eher diejenigen, die auf den kleinen Inseln in der Karibik Urlaub machen und verzweifeln, wenn sich dort in aller Herrgottsfrühe die großen Kreuzfahrtschiffe in die Häfen schieben, sodass es so aussieht, als hätte jemand über Nacht eine Großstadt ins Meer gebaut. Wenn es dann auf diesen Inseln plötzlich überall vor Menschen nur so wimmelt – wenn die Strände und Restaurants überfüllt sind und es keine freien Taxen mehr gibt – dann verflucht jede von uns ganz leise den Kreuzfahrt-Tourismus.

Cruise ship reaching the Caribbean Island Grenada

Ein Kreuzfahrtschiff erreicht die kleine Karibikinsel Grenada ©Regina Fischer-Cohen

Nachdem wir die Norwegian Jade bei ihrem Auslauf ein Stück weit die Elbe entlang auf einer Barkasse begleiten durften, müssen wir allerdings zugeben, dass so ein Erlebnis auf einem Kreuzfahrtschiff wirklich bewegend sein kann. In diesem Moment hat sie uns nämlich doch noch voll erwischt, die Faszination Schiff. Wie übrigens tausende Zuschauer auch, die das Ufer säumten und winkten.

Hamburg Landungsbrücken

Es wird – auch den Hamburgern – nie langweilig: Schiffe gucken ©die-reiselautsprecher.de

Geradezu majestätisch, als wolle sie die Aufmerksamkeit huldigen, fuhr die Norwegian Jade die Elbe entlang. Vorbei an Hafencity, Elbphilharmonie und Landungsbrücken. Vorneweg ein kleines Feuerlöschboot, das aus allen Rohren Wasserfontänen versprühte. Die tief stehende Sonne zauberte dort dann auch noch einen Regenbogen hinein. Kitsch as Kitsch can. Wir Hamburger Deerns konnten nicht aus unserer Haut – und fanden’s einfach nur toll.

Das war wirklich ganz, ganz großes, herzbewegendes Kino. Zurück bleibt die Erkenntnis, dass so eine Art von Kreuzfahrt wohl eher nichts für uns ist. Aber wir verstehen die Kreuzfahrt-Fans jetzt zumindest etwas besser. Was uns eint, ist das ewige Fernweh.

Cruise Ships in Hamburg Harbour

Traumhaft schön! Die Norwegian Jade beim Auslauf aus dem Hamburger Hafen © die-reiselautsprecher.de

Meinen Buchtipp „A supposedly fun thing I’ll never do again“ von David Foster Wallace gibt es auch auf deutsch unter dem Titel „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“

Was meint ihr? Kreuzfahrt Top oder Flop? Oder gibt es auch was dazwischen?

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